Selbstzweifel abmildern und innere Sicherheit gewinnen
Wege zu nachhaltiger Veränderung und Transformation
„Ich bin nicht gut genug…“ – Wenn Erfolg sich nicht echt anfühlt
„Bald merken die anderen, dass ich gar nichts kann.“
„Ich bin nur hier, weil ich Glück hatte.“
„Wenn ich nicht perfekt bin, werde ich nicht akzeptiert.“
Diese Gedanken sind klassische Anzeichen des sog. Impostor-Syndroms. Besonders hochqualifizierte, engagierte Menschen erleben diesen inneren Zweifel, obwohl sie objektiv erfolgreich sind. Sie fühlen sich wie Hochstapler, die ihre Position oder Anerkennung nicht verdienen.
Doch woher kommt dieses Gefühl? Warum reicht keine noch so gute Leistung aus, um sich sicher zu fühlen? Und wie kann Coaching helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen?
1. Das Impostor-Syndrom: Ein psychologischer Blick
Das Impostor-Syndrom ist kein Zeichen von Inkompetenz, sondern oft die Folge tieferliegender innerer Überzeugungen.
Der Begriff „Impostor-Syndrom“ (auch Hochstapler-Syndrom genannt) wurde in den 1970er Jahren von den Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes geprägt.
Zentral sind dabei Selbstwertzweifel, Schamgefühle und unbewusste Schutzmechanismen.
Typische Merkmale des Impostor-Syndroms sind:
- Selbstzweifel: „Ich bin nicht so kompetent, wie andere denken.“
- Angst vor Entlarvung: „Bald kommt heraus, dass ich gar nichts kann.“
- Abwertung eigener Erfolge: „Das war nur Glück / Zufall / nett gemeinte Unterstützung.“
- Perfektionismus: „Ich muss noch besser werden, sonst falle ich auf.“
Die Folge: Trotz objektiver Erfolge bleibt die innere Unsicherheit bestehen. Statt Anerkennung anzunehmen, werden Erfolge externalisiert („Ich hatte Glück“) und Misserfolge als Beweis für die eigene Unfähigkeit gewertet.
Diese Muster haben oft ihre Wurzeln in früh erlernten Überzeugungen, die sich im Erwachsenenalter unbewusst fortsetzen. Einige psychologische Erklärungen:
Frühe Erfahrungen und Glaubenssätze
- Hohe Leistungsanforderungen in der Kindheit: Wer nur für Erfolge gelobt wurde, verinnerlicht oft: „Ich bin nur wertvoll, wenn ich perfekt bin.“
- Vergleich mit anderen: Kinder, die als „hochbegabt“ oder „besonders talentiert“ bezeichnet wurden, setzen sich oft unter enormen Druck, diesem Bild gerecht zu werden.
- Überkritische Eltern oder Autoritätspersonen: Wer oft gehört hat „Das reicht nicht“ oder „Du kannst das besser“, entwickelt häufig das Gefühl, nie genug zu sein.
Kognitionsverzerrungen und Selbstbild
- Mindset von Mangel statt Kompetenz: Manche Menschen nehmen ihr Wissen und Können als selbstverständlich wahr – und übersehen, dass auch andere nicht alles wissen.
- Perfektionismus: Fehler werden nicht als Lernchance, sondern als Versagen erlebt.
- Selektive Wahrnehmung: Erfolge werden abgewertet („War nicht so schwer“), während vermeintliche Fehler überbewertet werden.
Systemische Einflüsse: Gesellschaft und Arbeitswelt
- Leistungsdruck und Vergleichskultur: Social Media und berufliche Netzwerke zeigen oft nur perfekte Erfolgsgeschichten, was den Eindruck verstärkt: „Alle anderen können es, nur ich nicht.“
- Gender und Diversity-Faktoren: Frauen und marginalisierte Gruppen sind häufiger betroffen, weil sie in männlich geprägten oder exklusiven Berufsfeldern besonders unter Druck stehen, sich zu beweisen.
2. Der Blick aus der Transaktionsanalyse (TA): Einschärfungen, Antreiber und innere Überzeugungen
Die TA ist ein psychologisches Modell. Nach der TA sind Einschärfungen frühe Prägungen, die unser Selbstbild formen. Unbewusste Botschaften, die wir in der Kindheit aufgenommen haben betreffen unser grundlegendes Sein und entstehen oft durch nonverbale Signale oder die emotionale Atmosphäre im Elternhaus.
Typische Einschärfungen, die mit dem Impostor-Syndrom zusammenhängen können:
„Sei nicht.“ → Ich habe keinen Platz, ich bin nicht wichtig.
„Gehör nicht dazu.“ → Ich fühle mich als Außenseiter.
„Sei kein Kind.“ → Gefühle und Bedürfnisse zeigen ist unsicher.
„Sei nicht wichtig.“ → Andere sind wertvoller als ich.
„Fühl nicht.“ → Emotionen sind nicht willkommen. Also unterdrücke ich sie.
Antreiber: Überlebensstrategien als Reaktion auf Einschärfungen
Um trotz dieser unbewussten Prägungen Anerkennung zu finden, haben wir in frühen Jahren Antreiber entwickelt – innere Regeln, die unser Verhalten steuern:
„Sei perfekt!“ → Fehler sind nicht erlaubt. Perfektionismus dient als Schutz.
„Streng dich an!“ → Nur harte Arbeit macht mich wertvoll. Leistung ist Bedingung für Akzeptanz.
„Mach es allen recht!“ → Angst vor Kritik und Ablehnung. Anpassung schützt davor.
„Sei stark!“ → Verletzlichkeit ist keine Option. Keine Schwäche zeigen.
„Beeil dich!“ → Ich muss schneller sein als andere.
Diese Strategien können kurzfristig erfolgreich sein, führen aber oft zu Stress, Überforderung und Selbstzweifeln.
Wie man im Coaching damit arbeiten kann:
- Einschärfungen erkennen und hinterfragen:
Welche unbewussten Botschaften steuern mich? Welche früh erlernten Überzeugungen beeinflussen mein Selbstwertgefühl?
- Antreiber bewusst wahrnehmen und würdigen:
Anstatt den Antreiber zu „bekämpfen“, geht es darum, seine ursprüngliche Funktion zu verstehen. Wovor hat mich dieser Antreiber geschützt? Wann war er hilfreich? Welche emotionale Sicherheit hat er mir gegeben?
- Die emotionale Verankerung des Antreibers erkunden:
Da Antreiber nicht rein kognitiv entstehen, sondern mit Gefühlen (oft Angst oder Scham) verbunden sind, braucht es einen Zugang zu diesen Emotionen. Was spüre ich, wenn ich dem Antreiber nicht folge? Welche Befürchtungen tauchen dann auf?
- Mit der zugrunde liegenden Einschärfung arbeiten:
Antreiber sind eine Strategie, um mit einer Einschärfung umzugehen. Deshalb ist es wichtig, die Einschärfung nicht nur kognitiv zu erkennen, sondern emotional zu erfassen, zu würdigen und zu entmachten. Dies kann geschehen durch:
-
- Imagination und innere Dialoge (z. B. mit dem inneren Kind, das diesen Glaubenssatz übernommen hat).
- Arbeit mit dem Körper (z. B. durch das Spüren, wo der Antreiber sitzt und wie sich Erlaubnis anfühlen würde).
- Integration von Ressourcen (z. B. Erinnerung an Momente, in denen der Selbstwert nicht an Leistung geknüpft war).
- Neue Erlaubnisse nicht nur formulieren, sondern verkörpern:
Erst wenn die emotionale Sicherheit da ist, dass eine Veränderung „überlebt“ werden kann, kann ein neuer Umgang mit dem Antreiber entstehen. Diese Erlaubnisse sind dann keine rein kognitive Entscheidung, sondern werden durch wiederholte Erfahrungen im Hier und Jetzt verankert.
Beispiel:
Anstatt „Ich darf Fehler machen.“ einfach als Satz zu formulieren, könnte eine konkrete Erfahrung genutzt werden, in der ein Fehler nicht zur Ablehnung geführt hat. So kann das Nervensystem lernen: Ich bin auch ohne Perfektion sicher und wertvoll.
3. Psychodynamische Hintergründe: Warum fühlen sich manche Menschen als Betrüger?
Das Impostor-Syndrom hat oft tiefe emotionale und unbewusste Wurzeln. Ein bloß kognitiver Ansatz reicht meist nicht aus, um diese tiefen Selbstzweifel zu lösen.
Scham als verborgene Emotion
Hinter dem Impostor-Syndrom steckt oft ein Gefühl, das im Coaching erst einmal nicht direkt benannt wird: Scham. Menschen, die sich als Hochstapler empfinden, tragen oft eine frühe, tief sitzende Scham in sich, die mit der eigenen Identität verknüpft ist:
- „Ich bin nicht genug.“
- „Ich bin nicht richtig, so wie ich bin.“
- „Ich muss mich verstellen, um dazuzugehören.“
Diese Art von Scham ist nicht nur eine kognitive Verzerrung, sondern oft ein körperlich spürbarer Zustand:
ein inneres Zusammenziehen, ein Bedürfnis, sich „unsichtbar“ zu machen, oder ein plötzliches Erröten, wenn man im Mittelpunkt steht.
Frühe Bindungserfahrungen und Schutzstrategien
Menschen, die als Kinder nur für Leistung anerkannt wurden oder emotionale Zurückweisung erfahren haben, entwickeln oft unbewusst eine Überlebensstrategie:
„Wenn ich perfekt bin, werde ich akzeptiert.“
Diese frühen Erfahrungen prägen das Selbstbild:
- Wer als Kind bei Fehlern stark kritisiert wurde, entwickelt eine tiefe Angst vor Versagen.
- Wer in seiner Familie viel Verantwortung übernehmen musste, fühlt sich oft „nicht berechtigt“, sich unsicher oder unvollkommen zu fühlen.
- Wer nicht wirklich gesehen wurde, glaubt oft, nur durch Leistung Aufmerksamkeit zu verdienen.
Im Coaching kann es daher nicht nur darum gehen, den inneren Kritiker zu beruhigen, sondern auch darum, die darunterliegenden emotionalen Muster zu erkennen und sanft zu verändern.
4. NARM: Das neuroaffektive Beziehungsmodell als Weg aus alten Schutzmechanismen
Das NeuroAffective Relational Model (NARM), ein therapeutischer Ansatz, mit dem ich im Coaching arbeite, betont, dass unverarbeitete emotionale Erfahrungen aus der Kindheit noch heute unser Erleben prägen.
Typische Muster beim Imposter-Syndrom:
Übermäßige Selbstkritik: Ein erlerntes Schutzverhalten, um sich vor Ablehnung zu schützen.
Perfektionismus: Eine Strategie, um Kontrolle über das eigene Selbstwertgefühl zu behalten.
Wie NARM im Coaching hilft:
1. Schutz- und Bewältigungsstrategien würdigen: Sie hatten früher eine wichtige Funktion.
2. Den Körper als Ressource nutzen: Was passiert im Körper, wenn ich mich als Hochstapler fühle?
3. Selbstmitgefühl aufbauen: Nicht der Schmerz der Vergangenheit bestimmt die Gegenwart, sondern die Fähigkeit, heute für sich selbst zu sorgen.
Im Coaching bedeutet das:
Nicht nur kognitiv, sondern körperlich arbeiten: Wo im Körper zeigt sich das „Impostor-Gefühl“?
Schutzmechanismen würdigen, statt bekämpfen: Perfektionismus oder Unsicherheit haben früher geholfen – jetzt darf eine neue Strategie gefunden werden.
Den erwachsenen Teil stärken: „Wer bin ich heute, unabhängig von meinen alten Mustern?“
Praktische Methoden:
Spüren statt nur analysieren: „Wie fühlt sich der Gedanke ‚Ich bin nicht gut genug‘ im Körper an?“
Schutzstrategien mit Mitgefühl betrachten: „Danke Perfektionismus, dass du mich geschützt hast – aber ich brauche dich nicht mehr in dieser Intensität.“
Die Realität der Gegenwart bewusst wahrnehmen: „Ist es wirklich wahr, dass ich nichts kann? Was sind die Fakten?“
NARM hilft, alte Muster im Hier und Jetzt abzumildern, ohne sich in der Vergangenheit zu verlieren.
5. IntrovisionCoaching: Tieferliegende Blockaden auflösen
IntrovisionCoaching ist ein Ansatz, der auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Ziel ist es, innere Blockaden nachhaltig aufzulösen.
Beim Impostor-Syndrom bedeutet das:
Es gibt eine tiefe Überzeugung: „Ich bin nicht gut genug.“
Gleichzeitig besteht ein hoher Leistungsdruck: „Ich muss perfekt sein.“
Diese innere Spannung erzeugt Stress, Selbstzweifel und Unsicherheit.
Der Ansatz im IntrovisionCoaching:
1. Innere Konflikte bewusst machen: Welche Gedanken lösen Unsicherheit aus?
2. Achtsames Wahrnehmen statt Verdrängen: Den Impuls nicht bekämpfen, sondern bewusst erleben („Permissive Aufmerksamkeit“).
3. Neutralisierung des Stressmusters: Durch bewusstes Erleben verliert der Impuls an Kraft.
Beispiel einer Introvisions-Übung:
Gedanken beobachten: „Wenn ich im Meeting spreche starren mich alle an.“
Ohne Bewertung wahrnehmen: „Was genau passiert jetzt in meinem Körper?“
Aushalten ohne Gegenwehr: „Ich lasse die Angst einfach da sein, ohne sie zu bekämpfen.“
Innere Erleichterung erleben: Die Spannung reduziert sich, weil sie nicht mehr aktiv unterdrückt wird.
Durch diese Haltung entsteht eine tiefere Selbstakzeptanz – und das Gefühl, mit sich selbst wirklich in Frieden zu sein.
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6. Mögliche erste Schritte im (Selbst-) Coaching:
Diese unangenehmen Gefühle und Schutzstrategien sind als Resonanz auf wichtige Bezugspersonen entstanden und werden in der Gegenwart immer wieder in Beziehungen aktiviert. Deshalb können sie auch nur in Resonanz zu wohlwollenden Menschen, die professionelle Unterstützung bieten können, nachhaltig verändert werden.
Da sie vorwiegend unbewusst sind, reicht es nicht aus, darüber nachzudenken. Häufig steht auch die innere Überzeugung und Aussage im Weg, dass man sehr liebevoll und behütet aufgewachsen ist – was auch durchaus sei kann. Dennoch kann das innere Erleben davon abgewichen haben.
Aus Loyalität und um die damals überlebenswichtige Bindung zu den Eltern aufrechtzuerhalten verdrängt das äußere Bild der fürsorglichen Elternhauses das innere Erleben. Der Zugang zu den „abgetrennten“ Gefühlen ist erschwert.
Es braucht deshalb geschützte Räume und ein wohlwollendes Gegenüber, um auch das Fühlen und Spüren, das Erweitern der Selbstwahrnehmung zugänglich zu machen – im Hier und Jetzt. Nicht als „Wühlen in der Vergangenheit“.
Dennoch kann das Denken ein guter Einstieg sein.
(A) Selbstreflexion:
Welche frühen Botschaften habe ich über Leistung und Wert gelernt?
Welche meiner heutigen Überzeugungen basieren auf alten Mustern?
Wie würde ich mit mir sprechen, wenn ich mein eigener Coach wäre?
(B) Körper- und Emotionsarbeit: Die Unsicherheit regulieren
Atem- und Embodiment-Techniken zur Beruhigung
Ressourcen verankern: Sich bewusst an Momente erinnern, in denen man sich kompetent gefühlt hat
Haltung und Stimme verändern, um Sicherheit zu spüren
(C) Arbeit mit dem Inneren Kritiker: Vom Feind zum Unterstützer
Welche Stimme spricht, wenn ich Selbstzweifel habe?
Was will sie eigentlich Gutes für mich?
Wie kann ich eine wohlwollendere innere Stimme entwickeln?
(D) Systemische Reflexion: Mein Umfeld bewusst wahrnehmen
Welche unbewussten Regeln gibt es in meinem Arbeitsumfeld?
Werden Schwächen und Unsicherheiten zugelassen oder tabuisiert?
Welche Vorbilder kann ich mir suchen, die mit Fehlern souverän umgehen?
Fazit: Aus dem Hochstapler-Gefühl in die innere Sicherheit
Das Impostor-Syndrom ist kein Zeichen von Inkompetenz, sondern ein erlerntes Schutzmuster.
Coaching kann dabei helfen, sich aus dem Kreislauf von Selbstzweifeln zu befreien und die eigene Kompetenz wirklich zu fühlen – nicht nur intellektuell, sondern auf allen Ebenen.
Durch eine Kombination aus kognitiver Arbeit, emotionaler Verarbeitung und Körperwahrnehmung kann Coaching helfen:
- Selbstzweifel nicht nur rational, sondern auch emotional zu verändern
- Scham nicht zu verdrängen, sondern anzunehmen und in Mitgefühl zu verwandeln
- Unsicherheit als Teil des Lernens zu akzeptieren – statt als Beweis für eigene Unzulänglichkeit
Wahre Kompetenz zeigt sich nicht in Perfektion – sondern darin, mit Unsicherheiten leben zu können, ohne sich von ihnen lähmen zu lassen.
Letztlich geht es darum, den Satz „Ich bin genug“ nicht nur zu denken, sondern ihn tief zu fühlen und nach und nach in sich zu verankern.
Denn du bist nicht nur fähig.
Du bist wertvoll.
Denn du bist nicht nur gut genug.
Du bist genau richtig.
Dieser Artikel basiert auf meiner langjährigen Erfahrung als Coach und Mediatorin. Ich unterstütze Menschen, Teams, Führungskräfte und Paare dabei, ihre Muster zu verstehen und dort, wo sie hinderlich sind, neue Wege zu gehen – für ein Leben voller Verbindung, Lebendigkeit und Wachstum.
Ich freue mich auf ein Kennenlernen!
Herzliche Grüße